Adrian Dürrwang on the exhibition «Im Dunkeln» at the Kunstmuseum Olten
Review im Kunstbulletin, 5/2022 (in German)
Thomas Kneubühler — Erhellende Bilder
Es gibt keine weissen Flecken mehr. Thomas Kneubühlers Video- und Fotoarbeiten in Olten zeigen gekonnt und anschaulich, wie die Prozesse der Globalisierung die letzten Winkel der Erde erobert haben: Der Abbau von Rohstoffen ist sichtbar und die Revolution der Kommunikation unsichtbar.
In der Ausstellung ‹Im Dunkeln› von Thomas Kneubühler herrscht im ersten Stock des Kunstmuseums Olten besagte Schwärze. Erst langsam weicht sie der schemenhaften Landschaft in der Videoarbeit ‹Days in Night›. Sie versetzt uns in die zeitlose Dämmerung einer Polarnacht bei der Forschungsstation CFS Alert auf Ellesmere Island in Kanada: nördlichst gelegener konstant bewohnter Aussenposten, nur 800 Kilometer vom Nordpol entfernt. Zugleich sind Aussagen dort stationierter Armeeangehöriger zu hören zur Dunkelheit, die von Oktober bis Februar dauert. Da entstand auch das Foto ‹Black Box›. Aus einer solchen steigt bedrohlich Rauch auf vor einer schneebeckten Landschaft. Es werden aber schlicht Abfälle verbrannt – Überreste der Zivilisation lodern vor den letzten weissen Flecken Erde!
Den Wahlkanadier Kneubühler, der als Mitglied der Ateliergemeinschaft VIA noch ein Standbein in Basel hat, interessieren verborgene «Prozesse» in Natur und Technik. Ausbeutung der Rohstoffe und Landaneignung sind zentrale Themen. Kneubühler sucht in einer aktuellen Serie etwa letzte «Funklöcher» in der Schweiz – es sind wenige unzugängliche Perimeter. In der berühmten Bildreihe ‹Electric Mountains› nimmt er nachts für Skifahrende illuminierte Berge nahe Québec ins Visier. Das zugehörigen Video steigert die surreale Szenerie mit dem Sound von Steve Bates ins Unheimliche. Auf ebenso massive Veränderungen verweist die Gegenüberstellung zweier Arbeiten aus der Werkgruppe ‹Landing Sites›: Bei ‹Announcement› erscheint auf einem Bildschirm in der Echtzeit eines Telegrafengeräts allmählich der Satz «Confined this morning, Girl, both doing well». Bis zum letzten Buchstaben dauert es 78 Minuten! Dagegen zeigt ‹Transmission› eine projizierte rauschende Bilderflut, die darauf verweist, dass das Tiefseekabel FLAG Atlantic-1 seit 2001 200 Stunden Video- material in nur einer Sekunde übermittelt. Kneubühler blickt durchaus nachdenklich auf solche Prozesse, wie eine autobiografische Arbeit verdeutlicht, wo er auf Distanz und Kommunikation in den 1990ern zurückschaut – die Zeit seiner Auswanderung.